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Geschichte zur Tarotkarte "Der Teufel"
Aus den Akten des jüngsten Gerichts am Ende dieses Zeitalters, Planet Erde.
Schlußplädoyer des Angeklagten Beelzebub, alias Pan, alias Luzifer

"Hohes Gericht. Ich verstehe wirklich nicht, warum ich angeklagt bin. Ich weiß nicht, warum die Menschen mich für böse halten. Ich begreife nicht, warum sie ihren kleinen Kindern mit mir drohen oder glauben, daß es mir am wohlsten ist, wenn ich die, die nicht an ihren toten Gott geglaubt haben, solange sie in ihren Körpern steckten, eine Ewigkeit lang quäle, sobald sie aus diesen kleinen Körpern geschlüpft sind. Warum sollte ich irgendjemand quälen? Ich spiele, lache, ich tanze, ich mache Musik auf meiner Flöte. Ich spiele sie auf Hochzeiten ebensowie auf Beerdigungen, bei Geburten ebenso wie bei Todesfällen. Mir sind alle Dinge gleichermaßen lieb. Leben und Tod, Liebe und Haß sind doch nur schöne Illusionen, die große Gefühle wecken. Das quälen überlasse ich all denen, die dies im Namen ihres jeweiligen Gottes und der allein selig machenden Wahrheit mit religiösem Eifer tun.

Sicher, ich verführe gerne schöne Frauen, die manchmal zu jung für mich sind oder verheiratet; ich berausche mich an Wein und Zauberpilzen, lache vielleicht ein wenig zu laut, wenn alle um mich herum weinen, habe vielleicht zu viel Spaß am Leben, wenn alle anderen meinen, es wäre nichts als Leiden und Mühe. Aber gequält habe ich nur die, denen ich das Paradies auf Erden gezeigt habe, und die aus lauter Angst, das Paradies im Himmel zu verlieren, schnell in die andere Richtung geschaut haben.

Warum wird mir die Schuld gegeben an dem Bösen, das die Menschen tun? Warum soll ich für das verantwortlich sein, wofür die Menschen keine Verantwortung übernehmen wollen? Warum zeigen die Menschen mit Fingern auf mich und nennen mich häßlich, wenn sie doch im Geheimen nach meiner Umarmung sehnen? Vielleicht ist mein größtes Verbrechen, daß ich tue, was ich will, daß ich mich nicht einengen lasse, daß ich unbezähmbar bin und die Menschen durch meine bloße Existenz daran erinnere, daß sie ihr kostbares irdisches Leben für die Verheißung ewigen Lebens wegwerfen. Ich weiß, daß die Menschen in ihrem Wesen unsterblich sind, mich brauchen sie nicht anzubeten und auf ihr Leben auf der Erde zu verzichten, nur um auf anderen Ebenen ewig zu leben.

Für Macht habe ich mich nie interessiert, ich war in die Lust verliebt. Macht wollten immer nur die Menschen, die meinten, ich könne sie ihnen im Austausch für ihre Seelen geben. Die Narren! Was soll ich mit ihren Seelen anfangen? Ich hab genug damit zu tun, Wein zu trinken, Zauberpilze zu essen und mir den kopf verdrehen zu lassen.

Ich gebe zu, daß ich nicht lange überlege, bevor ich rede oder handele, daß mir die Krankheit dieses vielen Denkens ein Greuel ist und daß ich deshalb ständig in Schwierigkeiten gerate oder andere in Schwierigkeiten bringe. Aber mal ehrlich: Die meisten Frauen, die ich geliebt habe, fingen erst dann an mich zu hassen, als ich sie verlassen und mich einer anderen zugewendet habe. Solange sie in meinem Bett lagen, waren sie nur glänzende Augen, feuchte Lippen und zuckende Körper. Und die meisten Männer, mit denen ich gezecht habe, fingen erst dann an mich zu verleugnen, als der Rausch vorbei war und das schlechte Gewissen den Sieg davongetragen hatte. Solange sie an meinem Tisch saßen, waren sie kühne Helden, phantastische Erzähler und wagemutige Entdecker.

Wenn es eine Sünde sein soll, das Leben zu lieben, den Körper zu verehren und die Lust durch meine Lenden strömen zu lassen, so will ich freudig weiter sündigen. Wenn ich auf ewig verdammt sein soll, nur weil ich mich dem Rauschen des Lebens in meinen Adern hingegeben habe, dann zum Teufel mit der Ewigkeit. Und wenn ich den bösen Buben spielen soll, nur damit die Anhänger des toten Gottes sich im Licht ihrer sterbenslangweiligen Rechtschaffenheit sonnen können, so will ich es gerne tun. Sie betrügen sich und die, die von ihnen Hilfe erwarten, um ihr Leben und geben ihnen im Austausch dafür vage Hoffnung auf ewige Glückseligkeit. Ich hingegen lebe jetzt. Jetzt, jetzt und nochmals jetzt!

Zuerst hat man mich als dickbäuchigen, gemütlichen Trunkenbold dargestellt, später mit einem zotteligen Fell und Hufen, dann nach Pech und Schwefel stinkend mit Schwanz und Hörnern. Ich gebe zu, gewissen Spaß daran gehabt zu haben, diese Gestalten anzunehmen, um die Kleingläubigen, die Ängstlichen und die Moralapostel zu erschrecken, aber meine Lieblingsgestalt ist die Ziege nicht. Viel lieber wandele ich im Körper eines schönen potenten Mannes oder einer schönen, leidenschaftlichen Frau auf Erden. Aber ich kann auch jede andere Gestalt annehmen, ich kann sein, wer oder was auch immer ich will.

Ich bin ewig, wie das Leben ewig ist. Ich war schon da, bevor der neue Gott seinem Propheten im brennenden Busch auf dem Berg erschien; ich war da, bevor derselbe Gott mit anderen Namen einem anderen Propheten in der Wüste erschien. Ich war schon da, als sich das, was sich einmal "Mensch" nennen sollte, von den Bäumen herunterhangelte und aus den Höhlen kroch. Ich war immer da, wenn der Frühling seinen Vater, den Winter, erschlagen hatte um mit den Jungfrauen im Schoß der Mutter Erde zu liegen, damit sie auf immer fruchtbar sei. Ich habe nie mit meinem Samen gegeizt, ich habe immer alles gegeben und es war gut, solange sich die Menschen daran erinnerten, wer ihre wahre Mutter war, und wem sie alles Leben verdankten. Ich war der Begleiter von Königinnen, ich nahm sie mit in das Reich der Ekstase, auf daß sie weise herrschten und sich Männer nehmen konnten, die sie brauchten, um den ewigen Bund des Lebens zu erneuern.

Ich habe geweint, als der junge Gott am Kreuz hing. Ihr glaubt mir nicht? Hohe Herren ich bin ihm in die Wüste gefolgt und ihm dort erschienen, um ihn zu warnen, um ihn auf den Pfad des Lebens zurückzuführen. Aber was tat er? Er hatte nichts besseres zu tun als mich zurückzuweisen, denn er war der Menschen überdrüssig und wollte seinen schönen, starken Körper hingeben, um zu seinem Vater zurückzukehren. Ich war schon alt, als er noch jung war. Ich war schon weise, als er noch nicht wusste, wer er eigentlich war. Er war der Sohn Gottes, so wie ich auch ein Kind Gottes bin. So wie auch ihr Menschen alle Kinder Gottes seid.

Es stimmt, daß ich ihn versucht habe. Ich habe versucht, ihn von seinem törichten Vorhaben abzubringen, sich für die Menschen aufzuopfern. 'Lebe!' habe ich ihm zugerufen. 'Liebe die Menschen!' Aber er wandte sich ab und weinte. 'Sie sind so schlecht! Ohne mich sind sie verloren. Nur ich kann sie retten!' schluchzte er und riß an seinen langen Haaren. 'Du kannst sie nicht retten. Du kannst nicht für ihre Sünden sterben.' So sprach ich und versuchte noch, ihn zu überzeugen. Aber er war jung, er war ungestüm, und er war wahnsinnig in seinem Leiden an der Dummheit der Menschen.

Er war jung, und ich war schon alt. Ich zeigte ihm, was aus seinem Opfer werden würde. Ich zeigte ihm dickbäuchige Priester, die in Samt und Seide gehüllt über die Armen lachten und den Reichen schmeichelten. Ich zeigte ihm die Länder Südamerikas, in denen in seinem Namen Millionen mit dem Schwert bekehrt wurden. Ich zeigte ihm die Länder Europas, in denen in seinem Namen hunderttausende Frauen verbrannt, zerstückelt und ertränkt wurden. Ich zeigte ihm Jerusalem, das in seinem Namen wieder und wieder belagert und zerstört wurde. Ich zeigte ihm die Verliese des Vatikans, in denen Wissenschaftler und Visionäre gefoltert und für immer zum Schweigen gebracht wurden. Und was tat er? er wandte sich ab, nannte mich 'Verleumder', 'Versucher', und 'Verderber'. Was nützt es mir, daß ich recht behalten habe? Viel lieber hätte ich diesen schönen jungen Menschen lachend in den Armen begehrenswerter Frauen gesehen, auf daß er ihnen das wahre Königreich Gottes gezeigt hätte.

Aber ich schweife ab. Ich bin nicht hier um zu klagen, sondern um mich zu erklären. Ich bin die Lust am Leben, aus der die Menschen das Laster gemacht haben. Ich bin die Freude an den irdischen Dingen, aus denen die Menschen Gier und Habsucht gemacht haben. Ich bin die Verheißung, aus der die Menschen Versuchung gemacht haben. Ihr könnt mich verurteilen, aber Ihr könnt Euch den nächsten Weltenzyklus nicht ohne mich vorstellen. Könnt Ihr Euch eine Welt vorstellen, in denen die Menschen den Gezeiten des Lebens nicht mehr folgen werden, so wie es alle Tiere tun? Ich habe wahr gesprochen, denn ich habe es nicht nötig zu lügen; lügen, das tun die, die im Namen der Wahrheit foltern und töten. Ich lüge nicht, denn ich bin, was ich bin. Ich bin Beelzebub, unter dem Namen Pan als Gott geliebt und verehrt, unter dem Namen Luzifer als gefallener Engel gefürchtet und gehaßt. Nun lege ich mein Schicksal in Eure Hände."

aus: Manfred Miethe: Magier und Herrscherin, S. 109-115


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