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Herrschaft

Ein Herr kaufte einen jungen Esel und gewöhnte ihn schon früh an die Härte des Lebens. Er lud ihm schwere Lasten auf, ließ ihn den ganzen Tag arbeiten und gab ihm nur das nötigste zu fressen. Und so wurde aus dem kleinen Esel bald ein richtiger Esel.
Wenn sein Herr kam, ging er in die Knie, neigte tief sein Haupt und ließ sich willig jede schwere Last aufbürden, auch, wenn er manchmal fast zusammenbrach.
Andere, die das sahen, hatten Mitleid. Sie sagten: "So ein armer Esel!" und wollten ihm Gutes tun. Der eine wollte ihm ein Stück Zucker geben, der andere ein Stück Brot, und ein dritter wollte ihn sogar auf eine grüne Weide locken.

Doch er zeigte ihnen, was er für ein Esel war! Dem einen biß er in die Hand, dem anderen trat er ins Schienbein, und dem dritten gegenüber war er störrisch wie ein Esel. Da sagten sie: "So ein Esel!" und ließen ihn fortan in Ruhe.

Seinem Herrn aber fraß er aus der Hand, und wenn's nur leeres Stroh war. Der Herr lobte ihn überall und sagte: "Das ist wirklich der größte Esel, den ich je gesehen habe!" Und er gab ihm zur Belohnung den Namen Iah. Später war man sich über die Aussprache dieses Namens nicht mehr einig, bis ein Dialektiker aus Bayern meinte, sie müsse lauten: I...(ch) a...(uch).

aus: Bert Hellinger: Die Mitte fühlt sich leicht an, S. 177/178


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