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Kampf der Geschlechter


In seinem Buch "Die Rückkehr des Löwen", das leider nicht mehr aufgelegt wird, schreibt Ton van der Kroon:


Ich war einmal zu Besuch bei einem Medizinmann der Hopi-Indianer, der mir ein Gemälde über die Geschichte der Welt zeigte. Auf dem Bild war der übergang von der dritten zur Vierten Welt abgebildet, der Zeitraum, in dem wir uns gemäß seiner Tradition jetzt befinden. Auf dem Bild waren ein Mann und eine Frau zu sehen, und darunter zwei sich kreuzende Linien. Es sah so aus, als ob die Zeichnung sagen wollte, dass Mann und Frau ihre Rollen tauschen sollten. Eine Rollenveränderung scheint große Verwirrung und Chaos mit sich zu bringen. Männer sind sich über ihre Identität im Unklaren. Wo Männer mit ihren Gefühlen und ihrer Unsicherheit Fühlung aufgenommen haben, haben Frauen ihre Kampfbereitschaft und Selbstsicherheit entdeckt.

Die Frauen kämpfen seit den letzten Jahrzehnten für ihre Rechte und fordern ihren rechtmäßigen Platz und Stellenwert in der von Männern dominierten Welt wieder ein. Aber neben vielem Positiven hat der Feminismus auch viel Schaden an der männlichen Seele angerichtet. In ihrem Kampf sahen die Feministinnen nicht, dass die Männer, genauso wie die Frauen, Opfer des Patriarchats geworden waren. Die Schuld und die Scham, mit denen die Kirche sexuelle Freiheit und Genuss besetzt hat, wurden durch den Feminismus noch einmal aufgefrischt. Männer wurden zu Sexisten, Bestien, die Frauen unterdrücken, Krieg führen und Kinder vergewaltigen. Männliche Sexualität wurde ausschließlich als gewalttätig und vergewaltigend betrachtet. Einige gingen sogar so weit, wissenschaftlich beweisen zu wollen dass der Mann der Frau biologisch unterlegen sei. Was Jahrhunderte lang umgekehrt vertreten wurde, dass die Frau dem Mann biologisch unterlegen sei, wurde schlicht umgedreht.

Moore und Gillette schreiben in ihrem Buch "König, Krieger, Magier, Liebhaber": "Feministinnen haben erkannt, wie die maskuline Vorherrschaft im Patriarchat das Weibliche unterdrückt und missbraucht hat - sowohl die sogenannten weiblichen Eigenschaften und Vorzüge, als auch die Frauen selbst. In ihrer radikalen Kritik des Patriarchats kommen manche Feministinnen zu dem Schluss, dass Männlichkeit von Natur aus ausbeuterisch sei und dass die Verbindung mit "Eros" - mit Liebe, Bindung und Zärtlichkeit - ausschließlich der femininen Seite der menschlichen Gleichung entspringe.

So wertvoll manche dieser Einsichten für die Sache der männlichen wie der weiblichen Befreiung von patriarchalen Klischees gewesen sein mögen, wir glauben, dass diese Perspektive ernste Mängel aufweist. Nach unserer Ansicht ist das Patriarchat NICHT der Ausdruck tiefer und in sich ruhender Männlichkeit, denn wahre, verwurzelte Männlichkeit missbraucht nicht. Das Patriarchat ist ein Ausdruck UNREIFER Männlichkeit. In ihm artikuliert sich das Jungen-Bewusstsein und teilweise die Schattenseite oder verrückte Seite der Männlichkeit. Es symbolisiert den verkrüppelten, auf nicht vollendeten Stufen festgehaltenen Mann."

Der feministische Angriff auf die männliche Identität entstand aus einer Mischung von Wut und Verletztheit, wurzelte aber auch in Angst vor der eigenen weiblichen Kraft, die so lange unterdrückt worden war. [...]

Oft bildet sich zwischen Mann und Frau folgendes Muster heraus (obwohl auch die umgekehrte Situation eintreten kann): Der Mann verlangt nach Sex als Ausdruck von Intimität und Kontakt; die Frau ist darüber zumeist schockiert. Sie will kommunizieren und einen gefühlsmäßigen Kontakt als Mittel zur Intimität, woraufhin der Mann denkt: Da fängt die Quengelei schon wieder an. Deshalb können wir beobachten, wie Männer und Frauen in ihrem Verlangen nach echtem Kontakt oft aneinander vorbeireden und sich frustriert und müde trennen. So sabotieren sie die jeweiligen Annäherungen, führen weder ein offenes Gespräch noch einen reinigenden Streit. [...]

Die Kunst besteht darin, aus dem Kampf ein Spiel oder einen Tanz zu machen, in dem beide ihre Rollen behalten und eine kreative Spannung entsteht. Dionysos ist nicht umsonst der Schöpfer des Theaters. Im Gegensatz zu den Kämpfen, in denen es darum geht, zu gewinnen oder zu verlieren, Recht zu haben oder unrecht, kennt das Theater keine Feinde. Der eine glänzt durch die Gunst des anderen. Spiel und Gegenspiel sind ein Tanz, in dem jeder seine Individualität darstellen kann.

Quelle: Ton van der Kroon: Die Rückehr des Löwen, Seite 89-92
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